Automobilität und die Entgrenzung des Raumes: Die Geschichte des Autobahnbaus von 1921 bis 1941

Interview mit Susanne Neumann

- Wie bist du auf die Idee gekommen, Autobahnbilder zu malen?

nun, die idee autobahnbilder zu malen entstand vor einigen jahren. ich bin berufsbedingt viel unterwegs und reise monatlich im schnitt 3000 km durch europa. immer im auto, also immer auf autobahnen, weil ich als künstlerin natürlich material und mein mobiles büro an der frau haben muss. daraus entstanden dann die autobahnbilder.

das thema autobahn/ baustellen beschäftigt mich hingegen schon seit längerer zeit. ich kaufe verschiedenste fotoarchive auf, unter anderem besitze ich auch fotos aus einer tiefbau-firmenaufflösung: eine schier unendlichen anzahl von baustellenfotos. die ästhetik dieser fotos fiel mir schon früh auf und so benutzte ich diese archiv auch für meine künstlerische arbeit. dabei interessiert mich vor allem die ungeheuere umgestaltungen der natur, die schlussendlich in einem ästhetischen gebrauchsgegenstand enden, dessen visuelle qualitäten (genausowenig wie dessen landschaftsverändernde struktur) nur in den seltensten momenten zu entzücken vermögen.

- Was interessiert dich an Autobahnen?

in erster linie sind es rein ästhetische faktoren, dann kritische. natürlich wird beim autobahnbau viel natur zerstört und ganze landstriche erfahren eine grundlegende veränderung. mensch und tier müssen sich diesen neuen lebensräumen anpassen. wälder werden oft durch eine riesige schneisse aufgerissen. man sieht das dann an den kahlen baumstämmen entlang der autobahnen, weil der natürliche wuchs mit unterholz und allmählich aufsteigender höhe des forstes nicht mehr gegeben ist.

generell beschäftige ich mich in meiner arbeit mit situationen und umständen, die den menschen alltäglich geworden sind. durch schlichtes beobachten und dokumentieren zeige ich dem betrachter, dass kunst nicht immer nur auf der leinwand stattfindet und an museumswänden hängt. sondern dass kunst und leben in einem engen verhältnis stehen, sich sogar bedingen.

- Du reist ja für deine Arbeit viel herum. Wo malst du deine Bilder? (nach Fotos?)

meistens entstehen zunächst fotos/ videos von den autobahnen. ich engagiere assistenten für diese tätigkeit, die dann entweder fahren, während ich fotografiere oder umgekehrt. die bilder bearbeite ich dann am mac. die malerische umsetzung erfolgt im atelier.

- Wie bereitest du dich auf deine Arbeit vor? (Gespräche mit Menschen, Kontraste durch Natur, Filme…)

generell kann man sagen ,dass ich meine kunst immer für ausstellungsorte konzipiere. dh ich produziere nicht im atelier «aus dem bauch heraus», sondern setzte mich intensiv und konzentriert mit orten, situationen und ganz wichtig: den dort lebenden oder am kunstprojekt teilnehmenden menschen auseinander. meistens bereise ich den ausstellungsort/ galerie/ skulpturenpark mit meinem kleinem tragbaren büro, nehme alles in augenschein. dokumentiere das umfeld und dann  -oder besser spätestens auf dem nachhauseweg- fällt mir meistens schon eine umsetzung ein. manchmal hat man auch ideen/  vorahnungen, weil man ja auf gewisse themen trainiert ist (in meinem fall: soziologische, anthropologische und kulturelle unterschiede).

- Welche Materialien / Farben verwendest du für deine Bilder? Stehen sie in einem bestimmten Zusammenhang mit der Thematik?

bei der malerei und den videoarbeiten NEIN, das material dient nur als informationsträger, hat also keinen direkten bezug zum inhalt. eher eine formale notwendigkeit, die ich so elegant wie nötig und so lässig wie möglich zu lösen versuche. bei dreidimensionalen objekten gibt es andere faktoren. das material soll habtisch und visuell den grösstmöglichen bezug (oder kontrast) zum tatsächlichen objekt herstellen. speziell bei meiner geplanten autobahnskulptur ist es natürlich von existenzieller wichtigkeit, dass die autobahn tatsächlich aus asphalt, metall-leitplanken und original böschungsbepflanzung nachgebaut wird.

- Wählst du die Autobahnorte/-motive nach bestimmten Kriterien aus (Ziel, Schönheit, Morbidität, Unterschiedlichkeit, Eintönigkeit)?

ziel, schönheit, morbidität, unterschiedlichkeit, eintönigkeit....ja genau

- Was gefällt oder interessiert Menschen an deinen Bildern? Hast du das Gefühl, dass das Thema viele Menschen anspricht?

die ersten spontanen reaktionen sind erstaunlicherweise geweckte urlaubsgefühle. fast alle menschen reagieren zunächst mit derartigen kommentaren. erstaunlich, weil scheinbar für viele der weg in den ersehnten urlaub, bzw der urlaub selbst mit den zunächst zu überwindenden streckenkilometern assoziiert wird.

Inwiefern hat sich das Leben der Menschen durch die Autobahn / Geschwindigkeit deiner Ansicht nach verändert, bzw. wie wird es beeinflusst?

nun wir, also die menschen, sind natürlich evolutionsgeschichtlich überhaupt nicht für geschwindigkeiten über 30 km/ h angepasst. unser körper (untergeordnet die wahrnehmung und unserer reaktion) ist noch immer darauf ausgelegt laufend -im idealfall weltrekordschnell laufend- in gut neun sekunden 100 meter zu überwinden. während einer derartigen anstrengung ist unsere körper wohl nicht in der lage, die an ihm vorüberziehende landschaft zu gutieren. unser körper also kann aus eigener kraft maximal die geschwindigkeit eines frisierten mofas erreichen. und dabei wird der geist überhaupt nicht in anspruch genommen. eine rein körperlich anstrengung, die uns vor dem gefressenwerden retten soll (was uns erst nach dem laufen wirklich bewusst wird).

dann im gegensatz dazu ( ich überspringe «zwischenstufen» wie pferdekutschen oder die industrielle revolution mit eisenbahn, ersten automobilen und fluggeräten) unsere zeitgenössische fortbewegung. wir sitzen im auto und lassen die landschaft an uns vorüberziehen. wir telefonieren, haben unsere lieblings cd im player und lassen uns klimatisierte luft um die nase blasen. der geschwindigkeitszuwachs bedeutet zeitgewinn., noch während der bewegung können wir uns gedanken machen, wie wir die gewonnene zeit sinnvoll einsetzen. und parallel dazu können wir auch noch die landschaft geniessen. landschaft, die durch den autobahnbau verändert wurde und die es vorher nicht in dieser form gab. (nur am rande: natürlich ist die bewegung auf der autobahn nicht mehr wirklich zeitgenössisch, sondern ein unheimlich zeitaufwendiges und kostspieliges unterfangen in zeiten von easyjet und co.)

- Verfolgst du mit deinen Bildern ein bestimmtes Ziel?

kunst machen, gut leben und eines tages richtig gutes geld damit verdienen......nein im ernst: in meinen themen spiegelt sich der alltag und somit das leben wieder. meine kunst ensteht aus ganz alltäglichen und nicht mehr bewusst wahrgenommenen situationen. meistens handelt es sich um momente, die wir aus bequemlichkeit oder aus gewohnheit (dem gewöhnlichen) nicht mehr hinterfragen. deren klischeehaftes bild von uns so verinnerlicht worden ist, dass wir uns der qualität des erlebten nicht mehr bewusst werden.

- Was für Assoziationen hat jemand wie du zum Thema Autobahn?

ästhetik, gefahr, verbindung, transzendenz, meditation,.......erstaunliche tatsache, dass autobahnen über länder hinweg irgendwie die ganze welt verbinden auf eine unheimlich altmodische und zeitaufwendige art und weise. assoziation autobahn: anschlusststellen zwischen verschiedenen ländern.... wo hört der italienische asphalt auf, wo wird es österreich.... warum wird die geschwindigkeit an italienischen baustellen auf 60 beschränkt.... architektonische strukturen mit skulpturalen eigenschaften.....das lebenswerk meines vaters verstehen....

- Fährst du gerne Auto? Was für Musik hörst du dabei gerne?

ich bin eine passonierte autofahrerin. musik konnte ich lange zeit gar nicht hören, weil man mir mein autoradio in italien gestohlen hatte (ein hübsches klischee, aber das war ende der neunziger jahre, da war italien wirklich noch ein heisses pflaster). ich hab vor gut zwei wochen meinen zweier golf verschrotten müssen, das war ein schmerzhafter abschied. aus einem nutzgegenstand war ein sentimentales objekt geworden. 300 000 gemeinsame kilometer und eine schier unendliche anzahl an pannen und abenteuern entlang europäischer autobahnen mit den kuriosesten erlebnissen sind ein wichtiger bestandteil meiner biographie geworden. zur musik: am liebsten höre ich -im auto und beim malen- metallische oder sonstige schnelle und agressive musik.

- Was waren interessante Erlebnisse die du auf der Autobahn hattest?

als beispiel: eine meiner unzähligen pannen, diesmal auf einem autobahnkreuz bei zürich, die gleichzeitig in wunderbarer weise die mentalität der oberpfälzer widerspiegelt.

mein kupplungsseil reisst mitten auf dem autobahnkreuz. ich komme an einer ungefährlichen stelle zum stehen, entferne mich vom fahrzeug und rufe den automobil club schweiz (meine adac PLUS mitgliedschaft war wirklich die beste investition seit jahren). die schweizer lokalisieren mich schnell und ich warte. mein golf hat ein tirschenreuther kennzeichen. nach 3 minuten wartezeit fährt unglaublicherweise ein tirschenreuther an mir vorbei, hält, ein bärtiger mann steigt aus. ich freue mich herzlich. er nicht. seine prägnante frage: kann ma hölfn? beantworte ich mit der erhofften baldigen ankunft des alamierten automobil clubs. der mann schaut, murmelt etwas und verschwindet. kein einziges weiters wort fällt. kann ma hölfn and here she goes, die oberpfalz für mich deshalb so spannend, weil ich natürlich immer nach tir kennzeichen ausschau hielt, in italien, während meines neun jährigen aufenthalts dort. und mir während all dieser zeit nur drei tirschenreuther begnet sind. mit zweien hatte ich auch kuriose erlebnisse. nur soviel dazu: während ich mich freute über besuch aus der heimat, war die reaktion der tischenreuther meistens entgegengesetzt. vermutlich war es das letzte, was sie während ihres urlaubs sehen wollten. andere oberpfälzer.........

Almut Karl